Logo 3SatSonntag, 28.06.2020, 18:30-19:00 UhrVollendeter KlangDie Kunst der BogenmacherTV-Sender3Sat Event SchlagworteDoku

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Streichbögen sollen bereits im 7. oder 8. Jahrhundert Instrumente zum Erklingen gebracht haben. Die Wurzeln des modernen Streichbogens führen ins Paris zur Zeit der Französischen Revolution.
Der gelernte Uhrmacher und Bogenbauer François-Xavier Tourte war der erste, der die Bogenstange aus dem Holz des Nationalbaums von Brasilien, dem Pau-Brasil, fertigte. Heute noch arbeiten die Bogenmacher mit Techniken, die Tourte einst begründete.
»Viele Leute denken, der Streichbogen ist einfach ein Ding aus Holz und Haaren. Dabei kann der Bogen für den Ausdruck viel wichtiger sein als das Instrument selbst«, meint Livia Sellin, Geigerin beim Trio Alba aus Wien.
Immer, wenn Thomas Gerbeth zum Hobel greift und eine Stange aus Fernambukholz bearbeitet, zieht ein süßlicher, jedoch leicht stechender Geruch um die Nase. Feine, rötlich gefärbte, eng gerollte Späne fallen lautlos zu Boden und türmen sich zu luftigen Haufen. Irgendwie erinnern sie an eine weihnachtliche Dekoration. Thomas Gerbeth ist Bogenmachermeister und betreibt eine renommierte Werkstätte im 12. Wiener Gemeindebezirk. Das rhythmische, schleifende Geräusch des Hobelmessers wird nur unterbrochen, wenn der Bogenmacher mit geschultem Auge den Verlauf der Spanabnahme kontrolliert.
Kaum hörbar bereitet seine Frau Anke an der benachbarten Werkbank neue Bogenbespannungen vor. Sie sortiert Haar aus den Schweifen asiatischer Hengste zu Bündeln der passenden Menge und bringt diese dann vorsichtig, geradezu liebevoll, mit einem Kamm in Form. Im Hintergrund mischt sich das leise Surren der einzigen modernen Maschine, die man heute beim Bogenbau verwendet, in die fast idyllische Klangkulisse: Auf einer computergesteuerten Fräse verpasst der Geselle kleinen, quaderförmigen Ebenholzrohlingen, die später einmal als »Frosch« am Bogenende die Haarbespannung halten sollen, eine erste Grundform.
Die Wurzeln des modernen Streichbogens führen zurück in das Paris zur Zeit der Französischen Revolution. Vor mehr als 200 Jahren habe, so erzählt die nur sehr skizzenhafte historische Überlieferung, der umtriebige Bogenbauer und passionierte Freizeit-Fischer François-Xavier Tourte in seiner Werkstatt an der Seine den Geigenbogen revolutioniert. Die frühen Vorfahren des Streichbogens sollen bereits im 7. oder 8. Jahrhundert Instrumente zum Erklingen gebracht haben.
Nach einer Jahrhunderte dauernden Entwicklung ähnelten die Bogenmodelle, die dann schließlich in der Barockzeit Verwendung fanden, schon sehr stark dem Bogen von heute. Aber es war im Grunde der gelernte Uhrmacher Tourte, der viele Ideen und unterschiedlichste Verbesserungsansätze miteinander kombinierte und daraus eine ganz neue Art Bogen zu fertigen entwickelte. Durch den Erfolg seiner Vorgehensweise schaffte er es, diese Handwerkskunst derart zu prägen, dass nicht nur die späteren, großen französischen Meister Dominique Pecatte oder Eugène Sartory, sondern auch die Bogenmacher der Gegenwart mit Techniken, die Tourte einst begründete, arbeiten und diese von Generation zu Generation weitergeben.
Eine der wesentlichsten Neuerungen von Tourte war es, die Bogenstange aus einem wertvollen Holz aus Brasilien zu fertigen. Es handelte sich um das Holz von dem Nationalbaum Brasiliens, dem Pau-Brasil, das auch unter dem Namen »Pernambuco« oder hierzulande als »Fernambuk« bekannt ist. Zu Tourtes Zeiten konnte man dieses Holz in Europa leicht bekommen, denn der Baum war für seine Färbequalitäten bekannt. Lange bevor man Anilin entdeckte hatte, konnte sich die beliebte Farbe Rot dank Brasilina, einem Pigment, das im Pau-Brasil-Baum vorkommt, in der Gesellschaft verbreiten.
Heute zählt die Spezies Pau-Brasil zu den geschützten Arten, denn nicht nur die Art selbst wurde beinahe ausgerottet, sondern auch von ihrem einzigen Habitat, dem Atlantischen Regenwald an Brasiliens Ostküste, gibt es nur noch sehr kleine Restbestände. Ein Umstand, der es den Bogenmachern nicht leicht macht, ihr Traditionshandwerk im gewohnten Stil fortzusetzen, denn der Rohstoffnachschub ist in Gefahr.